Google Street View
Folgender Text ging soeben als Leserbrief an die Neue Osnabrücker Zeitung. Im Prinzip wurde alles schon einmal irgendwo gesagt. Dennoch denke ich, dass eine solche "Zusammenfassung" in einer klassischen Zeitung nicht unbedingt verkehrt wäre. Bin ja mal gespannt, ob es abgedruckt wird, aber bisher hatte ich da eher positive Erfahrungen :-):
Google muss die Welt nicht mehr verstehen. Die Firma hat nicht die Banktransaktionen der Deutschen in die USA übermittelt, wie es die EU dank des SWIFT-Abkommens macht. Google speichert nicht sämtliche Telefon- und Internetverbindungen der Deutschen für viele Monate, wie es die (durch das BVerfG inzwischen ausgesetzte) Vorratsdatenspeicherung vorsieht. Google besitzt keine zentralen Datenbanken, in denen das Einkommen, die Teilnahme an Streiks, Krankheitstage, ärztliche Behandlungen und vieles mehr gespeichert werden, wie dies mit ELENA und der elektronischen Gesundheitskarte geplant ist. Google verteilt auch ab dem 1. November keine per Funk auslesbaren elektronischen Personalausweise, für die zusätzlich ein digitales Bild und Fingerabdrücke gespeichert werden. Und Google plant auch nicht, die Besucher des Hamburger Flughafens in naher Zukunft bis auf die nackte Haut zu durchleuchten (der treffende Begriff „Nacktscanner“ ist ja verpönt, seit eine aufgesetzte Software das recht deutliche Bild nachträglich mit einem Strichmännchen überdecken soll).
Nein, alles was Google macht ist Häuserfronten und Straßenzüge zu fotografieren. Nicht heimlich aus dem Garten heraus, sondern ganz offen von der Straße, wie es jeder Tourist auch tun kann. Und auch nicht in Echtzeit, wie es die ausufernde Kameraüberwachung in immer mehr Städten macht. Die Personen auf den Bildern interessieren Google überhaupt nicht, und dass das automatische Anonymisieren im Großen und Ganzen hervorragend funktioniert zeigen die bereits in Betrieb befindlichen Installationen anderer Länder.
Politiker wie Thomas de Maiziére, Ilse Aigner, Wolfgang Bosbach, aber auch viele Politiker der jetzigen Opposition, sind für die oben genannten staatlichen Datenbanken verantwortlich, denen ich – im Gegensatz zu Google Street View – in keiner Weise widersprechen kann. Und ausgerechnet diese Politiker schlagen nun in bester Sommerlochmanier mit der Datenschutzkeule (ausgerechnet Datenschutz! Schon von der Datenzusammenführung im Zuge der Volkszählung 2011 gehört?) auf Google ein, eine Firma, die nichts anderes gemacht hat, als systematisch öffentliche Fassaden zu fotografieren. Und das nicht mal als Erste.
Wenn ich die Wahl hätte, ob ich meine persönlichen Daten dem deutschen Staat unter der aktuellen Regierung oder der Firma Google anvertraue, so würde meine Wahl derzeit traurigerweise auf den Konzern fallen (nein, mit Konzern meine ich nicht die schwarz-gelbe Koalition).
Update:
Der Brief wurde heute, am 19. August, abgedruckt. Leider mit einigen Kürzungen :-/
Update 2:
Und gestern droht die Aigner, Google solle bloß nicht auf die Idee kommen, Gesichter in den StreetView-Aufnahmen (die eh weggepixelt werden) mit Profilen zu verknüpfen. Hm, Frau Eigner, irgendwie kenne ich nur eine Institution, die eine nahezu vollständige Datenbank von Gesichtsbildern und persönlichen Daten besitzt. Oder haben Sie Angst, dass Google dem Staat Konkurrenz machen könnte?