Zweifelhafte Verwendung der Studiengebühren in Osnabrück (Update)

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Taiwanische Drachenboot. Quelle: Wikipedia.Die Hannoversche Allgemeine berichtete am Dienstag über ein Geldproblem der Fachhochschule Osnabrück "der besonderen Art": Sie weiß nicht, wohin mit den Studiengebühren. Drei Millionen Euro blieben pro Jahr auf dem Konto der Hochschule liegen.

Das führe dann zu zweifelhaften Anschaffungen, die in der letzten Zeit aus den studentischen Geldern getätigt worden seien:

Zur Erinnerung:

"[...] Die Einnahmen hat die Hochschule einzusetzen, um insbesondere das Betreuungsverhältnis zwischen Studierenden und Lehrenden zu verbessern, zusätzliche Tutorien anzubieten und die Ausstattung der Bibliotheken sowie der Lehrund Laborräume zu verbessern; sie kann sie auch für die Aufgaben nach § 3 Abs. 1 Nr. 8 [Anm.: Vergabe von Stipendien] einsetzen. Sofern aus den Einnahmen zusätzliches Lehrpersonal finanziert wird, darf dieses nur zu solchen Lehraufgaben verpflichtet werden, die das für die Studiengänge erforderliche Lehrangebot ergänzen oder vertiefen. § 13 Abs. 8 [Anm.: Langzeitstudiengebühren] bleibt unberührt." (§ 11 Abs. 1 Niedersächsisches Hochschulgesetz)

Der Radiosender ffn, dessen Lokalredaktion diese Story aufschnappte, interviewte dazu den Vizepräsidenten der Fachhochschule Dr. Rainer Kleinholz (Sendung vom 10. Juni 2009 16:30):

"Das Drachenboot ist nunmal von unserem Lingener Department als ein wesentlicher Aspekt gesehen, von den Studierenden sehr gewünscht und deswegen ist eben ein Teil unseres Etats, genau 0.5%, auch dafür eingesetzt worden." [...] Kleinholz sagt, dass eine Verbesserung der Lehre auch durch ein besseres Betriebsklima an der Hochschule erreicht werden kann, etwa durch einen Tischkicker. "Ich halte das durchaus für vertretbar, wenn das von den Studierenden ausdrücklich gewünscht wird, dass ein Tischkicker auf dem Flur aufgestellt wird. Auch das erhöht die Freude am Studieren und letztendlich wollen wir ja mit den Studierendenbeiträgen das tun, was die Studierenden auch eigentlich wünschen. Es ist eigentlich deren Geld und es soll auch in deren Sinne verausgabt werden."

Ja sicher, und weil die Studenten der FH nun so viel Freude am Studieren haben, macht es ihnen auch nichts aus, für die Beschaffung der Studierengebühren (noch mehr) Arbeiten gehen zu müssen und so noch länger studieren zu dürfen.

Nun könnte man annehmen, dass - wie bei früheren Vorkommnissen an anderen Hochschulen - das Präsidium der Fachhochschule diese Anschaffungen eigenmächtig tätigte. Doch an der FH Osnabrück herrscht eine Besonderheit. Dort sind die Studierenden über ein durch das FH-StuPa besetztes "Gremium zur Verwendung der Studienbeiträge" paritätisch an der Verteilung der Studiengebühren beteiligt. Eine Position, die sich die sich selbst gerne als unpolitisch bezeichnenden studentischen Vertreter durch die Verweigerung der Teilnahme am Studiengebührenboykott 2006 erkauft haben. Und tatsächlich scheint es gängige Praxis zu sein, dass das Präsidium bisher keine Zuteilung der Mittel gegen den Rat dieses Gremiums machte.

Ich halte es für mehr als zweifelhaft, dass die hier angeführte Verwendung der Studiengebühren einer richterlichen Kontrolle standhalten würde. Einen Tischkicker als Verbesserung der Lehre auszugeben ist ja nun - mit Verlaub gesagt - ein schlechter Witz, oder? Ich konnte mir jedenfalls garnicht vorstellen, dass diese Ausgaben durch die gewählten Studierendenvertreter abgesegnet worden sind und bat Dr. Kleinholz sowie den AStA der Fachhochschule um Stellungnahme:

[...]

  1. Wer genau in diesem Zusammenhang die Studierendenschaft ist, die diese Anschaffung gewünscht bzw. autorisiert hat. Handelt es sich um die gewählten Vertreter der Studenten im StuPa, oder um "Einzelmeinungen"?
  2. Was ist die Position des AStA zu der Verwendung der studentischen Gelder in dieser Form?
  3. Ist die Ausgabe tatsächlich, wie in dem Bericht angedeutet, durch die Studierende im "Gremium zur Verwendung der Studienbeiträge" autorisiert worden? Gibt es öffentliche Protokolle dieser Sitzungen?
  4. Ist das Gremium der Ansicht, im "Einvernehmen" die studentischen Gelder auch für Zwecke verwenden zu können, die nicht durch das Gesetz zur Verwendung der Gelder gedeckt sind? Die Teilnahmemöglichkeit an Rennen durch ein "verbessertes Betriebsklima" als Verbesserung der Lehre anzusehen halte ich jedenfalls für ziemlich weit hergeholt.

[...]

Von Herrn Kleinholz erhielt ich noch keine Antwort, aber das Referat für Hochschulpolitik antwortete umgehend. Man sagte mir, dass man den Bericht der HAZ für stark subjektiv halte und rechtfertigte die Anschaffungen des Drachenbootes mit der Verwendung für den Hochschulsport. Außerdem verwies man nochmal auf das starke Mitspracherecht der Studierenden an der FH und eine in Planung befindlichen offiziellen Stellungnahme des AStA. Öffentliche Protokolle über die Gremien-Sitzungen habe ich nicht bekommen, falls es denn überhaupt welche gibt. Was sehr schade ist, denn so ließe sich die Motivation bei der Abstimmung über diese Themen vielleicht besser nachvollziehen.

Andere mögen es für vermessen halten, dass ich mich als Student der Uni über eine solche "interne" FH-Angelegenheit echauffiere. Ich dagegen halte es für ziemlich vermessen, im Namen der Studierendenschaft einer derart zweifelhaften Verwendung der Studierengebühren zuzustimmen. Was passiert, wenn die Hochschulleitung als nächstes ihre Heizungskosten aus Studiengebühren finanzieren möchte? Warme Hörsäle fördern schließlich das Betriebsklima ungemein...

Die studentischen Gremien der Uni Osnabrück haben sich seit je her dagegen entschieden, an der Verteilung der Studiengebühren beteiligt zu werden oder davon zu profitieren. Die einzige Ausnahme ist ein Topf von 500.000 EUR, der durch die ZSK in einem eng gesteckten Rahmen verteilt werden kann - hier sind tatsächlich die Hälfte der Mitglieder Studierende, allerdings ist dies auch nicht der Schwerpunkt dieser Kommission und so weit ich weiß bleibt ein großer Teil des Geldes am Ende des Jahres liegen. Jedenfalls kann der Uni-AStA dadurch kaum in die Situation kommen, eine rechtlich problematische Verwendung der Studiengebühren rechtfertigen zu müssen. Das Problem an der UOS ist eher, überhaupt über die Details der Verwendung Kenntniss zu erlangen. Die durch die Uni öffentlich zur Verfügung gestellten Broschüren finde ich jedenfalls unbefriedigend.

Nachtrag: Diesen Absatz möchte ich im Nachhinein etwas klarer Formulieren. Die rein studentischen Gremien haben sich gegen die Beteiligung an der Verwendung der Studiengebühren entschieden. In Gremien wie den Studienkommissionen gibt es tatsächlich gewisse Mitsprache- und Kontrollmöglichkeiten. Allerdings erfüllen diese in erster Linie andere Aufgaben und existierten bereits vor der Einführung der Studiengebühren.

Unsere Forderung (jedenfalls des überwiegenden Teils der studentischen Vertreter) ist weiterhin die komplette Abschaffung dieser sozial ungerechten Hochschulfinanzierung. Auch an der Universität Osnabrück bleibt viel Geld als "Sonderrücklage" liegen - aber das ist nicht unser Problem. Ohne den entsprechenden Druck werden die Präsidien der Hochschulen in Niedersachen kaum irgendeine Änderung unterstützen. Und dieser Druck entsteht zum Beispiel aus einer konfrontationsfreudigen, politisch aktiven studentischen Selbstverwaltung, die nur auf den ersten Fehltritt wartet.

Disclaimer: Wie alles in diesem Blog gibt auch dieser Beitrag meine persönliche Meinung wieder. Diese muss nicht identisch mit der Ansicht des AStA, des StuPa oder der Grünen Hochschulgruppe sein.

Bild: Wikipedia Update 14:30

Inzwischen ist die Stellungnahme des FH-AStA veröffentlicht. Im großen und ganzen wird dort noch einmal die Antwort auf meine E-Mail wiederholt. Darüber hinaus fordert der AStA, dass "die starren Vorgaben zur Einnahmehöhe der Studienbeiträge durch das Ministerium für Wissenschaft und Kultur nach dem Vorbild Nordrhein-Westfalens gelockert werden sollten". Diesem Aufruf kann ich mich nur teilweise anschließen. Zwar kann eine engagierte Studierendenschaft eine Reduzierung der Studiengebühren erreichen, wie das Beispiel der Universität Münster zeigt. Dort wurde durch massive Proteste zunächst die Einführung für ein Jahr verhindert, woraufhin im nächsten Jahr ein Satz in Höhe von 275 EUR mit knapper Mehrheit eingeführt worden ist. Meiner Meinung nach zeigt jedoch eine freizügige Verwendung der Gebühren wie an der FH in die falsche Richtung und schafft Ansprüche, die später nur schwer zurück zu schrauben sein dürften.